Eine ganz kurze und ganz seltsame Geschichte...war so ein fünf Minuten Teil, und ich weiß wirklich nicht so recht, was mich dazu inspiriert hat...
Weint ihr um mich?
Andrea Göppel
Ich. Hier. Alleine.
Sie lachen mich an. Alle. Ich sehe das Lächeln auf ihren Lippen, sehe, wie sich ihre Mundwinkel nach oben verziehen, doch sie meinen nicht mich. Denn ihre Augen sind leer.
Ich. Im Dunkeln.
Ich stehe mitten auf der Straße und sie gehen an mir vorbei, lassen ihre leeren Blicke über meinen Körper ziehen, als ob ich durchsichtig sei. Und wer weiß, vielleicht bin ich das auch. Es schmerzt, und gleichzeitig fühle ich mich seltsam erleichtert. Sie sehen mich, doch sie sehen mich nicht.
Ich schaue zurück, lasse meinen Blick den Weg entlang wandern, den Weg den ich gekommen bin. Die Rücken der Leute sind mir zugewandt; und ich muss lächeln.
Warum?
Meine Füße bewegen sich automatisch, als ich weiter wandere. Ihre Gesichter sind leer; die Frauen versteckt unter Make-up, wie Puppen, Masken, die sie tragen, um ihr wahres Ich zu verbergen
Welches Ich?
Die Männer müde und grau, der Funken erloschen. Sie lächeln, doch sie lächeln nicht.
Wo bin ich hier?
Ich möchte schreien und um mich schlagen. Ich will, dass mich jemand hört, dass jemand sieht, was mit mir passiert. Doch ich weiß genau, dass ich auch eine Maske trage. Bombenfest. Und keiner sieht durch. Niemand. Niemals. So sicher. Unverletzlich. Und innerlich blutend. Wir schauen uns an, doch wir sehen uns nicht. Keine Chance, den Gegenüber zu erkennen.
Die Dunkelheit.
Und ich wandere durch die Straßen, verloren, alleine, sehe diese leeren Gesichter und muss daran denken, dass auch ich nur ein Spiegelbild dieser Leere bin. Eines Tages werden sie sterben und die Welt verlassen, ohne dass sich jemand an die wirkliche Person hinter dem Gesicht erinnert.
Sie rufen mich.
Man redet von Liebe. Was ist Liebe? Vielleicht bedeutet Liebe ja, dass man den anderen erkennen kann. Dass man den Schlüssel für die Maske bekommt. Aber keiner hat meinen Schlüssel. Oder wird ihn jemals haben. Ich lache. Manchmal lache ich. Meistens lächle ich. Es ist eine Maske. Eine Maske mit verlorenem Schlüssel.
Ich stecke fest. In mir selber. Tief drinnen. Irgendwie würde ich ja gerne um Hilfe rufen, aber es geht nicht. Ich bin eingeschlossen, und habe den Schlüssel weggeworfen.
Ich. Allein. Im Dunkeln.
Sie greifen nach mir, sie reden mit mir, doch ich höre nicht zu. Für mich sind Worte bedeutungslos geworden. Ich sehe sie weinen. Sie schauen mich an und weinen. Warum?
Ich antworte ihnen nicht. Ich rede nicht mehr. Ich bin gefangen. Hier. Alleine.
Eingeschlossen.
Seht ihr mich? Seht ihr mich weinen? Nein. Ihr hört mich nicht. Keiner hört mich. Und wenn ich manchmal klagend um Hilfe rufe, ist meine Stimme stumm. Wehklagen, das keiner wahrnimmt.
Holt mich zurück...gebt mir den Schlüssel...lasst mich fliegen...lasst mich aus diesem Gefängnis entkommen.
Die Stimmen verfolgen mich...
Das Lächeln ist auf meinen Lippen eingefroren. Hilfe. Helft mir. Ich bin gefangen. Ich weine. Ich schreie. Ich leide. Doch ich kann es nicht sagen. Es tut weh. Warum?
Weint ihr um mich?
Immer noch im Dunkeln.
Ganz alleine.
Ohne Schlüssel.
Ohne Hoffnung.