Aah

Aah wurde sich bewusst, dass sie wach war. Sie öffnete die Augen nicht. War es Tag oder Nacht? Hinter ihren Lidern tat sich garnichts. Sie sah weder dunkle Flecken, noch rotes Licht. Da lag einfach etwas... Weißes. Graues. Es sah aus wie dichter Nebel, ohne wahre Konsistenz, ohne davor oder dahinter. Und es war still um sie, so still, dass sie anfing zu zweifeln. War sie wirklich wach oder schlief sie noch? Wo war sie?

Sie erinnerte sich nicht daran, müde geworden zu sein, sich hingelegt oder geträumt zu haben. Langsam versuche sie ihre Finger zu bewegen. Es ging ganz einfach. Sie ballte ihre linke Hand zu einer Faust und merkte, dass ihre Fingerspitzen kalt und feucht waren, so als wäre sie lange im Regen gestanden. Dieser Gedanke brachte sie auf etwas: Vielleicht war es das - war sie irgendwo draußen gewesen? Draußen? Es half nichts. Kein Echo. Also begann sie in ihrer Erinnerung zu forschen. Vielleicht war sie fort gewesen und hatte etwas getrunken. Vielleicht war sie noch fort?

Plötzlich war Aah ganz sicher: Sie lag nicht in ihrem Bett, und wo auch immer sie jetzt war, alles um sie fühlte sich fremd an. Die Unterlage war hart, aber sie schien unter ihrem Körper nachzugeben. Immer dieser Nebel vor den Augen! Er schien auch in ihrem Kopf zu sein. Nichts, nicht eine kleine Erinnerung an was davor war! Ah, jetzt. Da war ein Erinnerungsfetzen. Laufen und herumspringen. Zu früh. Heulen, schreien und zerstören. Zu früh. Sehen und nicht verstehen. Zu früh. Hören und nicht verstehen. Zu früh. Zweifeln, fragen. Zu früh, immer noch zu früh!

Nicht mehr zweifeln, nicht mehr fragen, nicht mehr versuchen. Ja, ein bekanntes, ein nahes Gefühl, und Aah erinnerte sich wieder. An vieles. So war das also. Woraus sie auch aufgewacht war, und an welchem Ort auch immer - dieses Gefühl war genug um sich zu orientieren. Sie wollte nicht zu viel auf einmal sehen, darum öffnete sie die Augen nur sehr langsam.

Nichts veränderte sich: da war nur Nebel. Erschrocken sprang sie auf und sah um sich - Nebel. Sie öffnete ihre Faust und steckte die Hand aus: sie sah bleich aus, aber real. Und garnicht mehr kalt! Plötzlich hörte sie leises Lachen hinter sich. Es klang erstaunt aber auch erfreut, und dann hörte sie eine Stimme sagen:

Ach, da bist du ja endlich! Wir haben dich schon erwartet!

Aah wollte sich umdrehen, doch die Nähe der Stimme hinderte sie daran. Wer konnte das sein? Sie kannte diese Stimme nicht.

Erwartet, fragte sie, wo denn, und wer?

Na hier! Wir und ich! Ich wusste eigentlich, dass du eines Tages auftauchen würdest. Hab's zumindest vermutet.

Wieder hörte Aah das leise Lachen. Sie stellte jetzt fest, dass sie die Stimme mochte. Ich bin tot, schoss es ihr durch den Kopf. Der Gedanke kam ihr sofort komisch vor, sie glaubte nicht daran. Sie wusste nicht wie sie gestorben sein könnte. Aber andererseits... andererseits erinnerte sie sich ja auch sonst nicht an sehr viel.

Bin ich tot?

Was? Nein, ich glaube nicht. Sicher nicht.

Aha.

Dann sagte die Stimme freundlich, so als wollte sie Aah beruhigen:

Dreh dich ruhig um, wenn du möchtest. Ich wäre neugierig, was du siehst.

Weißt du nicht, wie du aussiehst?

Nein, nicht richtig. Weißt du denn noch immer nicht was passiert ist?

Nein.

Oh. Die Stimme zögerte kurz. Du bist wahnsinnig geworden.

Aah schwieg und blickte in den Nebel.

Meine Phantasien... - Werde ich vielleicht wieder gesund?

Das weiß ich nicht.

Aah atmete tief ein, nickte langsam und sagte schließlich:

Hoffentlich nicht.

Dann drehte sie sich um.

~*~ Ende ~*~

...

...

...

...

MS-DOS-Name:
Erstellt am: Samstag, 26. Jänner 2002 18:49:12
Geändert am: Sonntag, 27. Jänner 2002 13:03:26

Neu formatiert: vor ein paar Tagen

Ich habe diese Geschichte vor über einem Jahr geschrieben und danach vergessen. Das heißt schon was, das spricht für Verdrängung. Besonders originell ist die Geschichte vielleicht nicht, diese Idee des Erwachens an einem fremden Ort insbesondere, aber sie gefällt mir... und wenn ich je wahnsinnig werden sollte, dann will ich es so erfahren ;o)
Im Namengeben war ich noch nie besonders gut, oder habe mir selten Mühe gegeben - "sie", "das Mädchen", "der Mann", etc. schien meist zu genügen - aber diese Figur brauchte einen Namen, der dann auch Titel wurde. Ich habe überlegt, beides, Name und Titel, zu ändern, aber sie waren schon gut gewählt, darum will ich sie so lassen. "Aah" steht nicht für einen Schrei, sondern für einen erleichterten Seufzer, einen Laut des Erwachens.